Der Nachlass Bendavid enthält Dokumente, die über das Leben und Wirken Lazarus Bendavids Auskunft geben, seine Schriften zu den verschiedensten Themen und seine Korrespondenz mit Zeitgenossen.
Lazarus Bendavid wurde am 18. Oktober 1762 als Sohn einer weltoffenen und toleranten jüdischen Familie in Berlin geboren. Neben einer traditionellen jüdischen Ausbildung und seinem Studium in verschiedenen Talmudschulen erhielt er auch Unterricht in Deutsch, Rechnen und Buchhaltung. Nach einer kurzen Phase orthodoxer Religiosität wandte sich Bendavid kurz nach seiner Bar Mitzwa vom traditionellen Judentum mit seinen „Zeremonialgesetzen“ ab. Nach dem Tod seines Vaters verwehrten die Gemeindevorsteher Bendavid deshalb die Funktion als Vorbeter, woraufhin er seine Kontakte zur Gemeinde abbrach. Er hatte sich mittlerweile ganz einer allgemeinen humanistischen Bildung zugewandt; an den Universitäten von Göttingen und Halle hörte er Vorlesungen zur Physik, Chemie und Kirchengeschichte, studierte medizinische und mathematische Schriften und knüpfte Kontakte zu Professoren und Denkern seiner Zeit. Bendavid blieb jedoch zeit seines Lebens Autodidakt und war nie ordentliches Mitglied einer wissenschaftlichen Institution. 1785/86 begann er, Bücher und Aufsätze zu veröffentlichen, Vorträge zu halten, hauptsächlich über Mathematik und Philosophie, und machte sich einen Namen innerhalb der aufgeklärten Öffentlichkeit. In seinen philosophischen Schriften war er ein eifriger Verfechter der Philosophie Kants und verstand sich als deren Übersetzer für ein wissensdurstiges Publikum. In Wien, wo er seit 1791 öffentliche Vorlesungen hielt, galt Kants Philosophie jedoch als staats- und kirchenfeindlich; deshalb kehrte Bendavid 1797 endgültig nach Berlin zurück. Dort verlieh ihm die Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften 1801 den ersten Preis in der Klasse der spekulativen Philosophie für seine Schrift Philotheus, oder über der Ursprung unserer Erkenntniss. Seit 1802 arbeitete er als politischer Redakteur bei der Haude- und Spenerschen Zeitung und veröffentlichte weiterhin auch Beiträge zu den verschiedensten anderen Gebieten; in den letzten Jahrzehnten seines Lebens konzentrierte er sich dabei hauptsächlich auf jüdische Themen.
Trotz seiner öffentlichen Abwendung vom traditionellen Judentum und insbesondere von allen „Zeremonialgesetzen“ erhielt er seine pädagogische und gesellschaftliche Arbeit innerhalb verschiedener jüdischer Institutionen, der er sich seit den 1790er Jahren verstärkt widmete, aufrecht. In seinen Schriften zu jüdischen Themen verlieh er seiner aufgeklärten Ansicht Ausdruck, daß die „Zeremonialgesetze“ des Judentums das Hindernis auf dem Weg zu einer Emanzipation der Juden und ihrer völligen Erlangung staatsbürgerlicher Rechte sei. Damit wurde er zu einem typischen Vertreter der zweiten Generation der „Berliner Haskala“, zu der auch Saul Ascher, Markus Herz, David Friedländer und andere jüdische Intellektuelle gehörten. In der Nachfolge Mendelssohns und in seinem Schatten wollten sie Antworten auf die sich im Zeitalter der Modernisierung und Säkularisierung wandelnden historischen Umstände geben; Bendavid galt dabei als der radikalste unter ihnen. Diese Männer, allesamt Schüler und Nachfolger Kants, setzten sich vor allem mit den Thesen auseinander, die Mendelssohn in seinem Buch Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum vertreten hatte. Mithilfe von Begriffen und Ideen zeitgenössischer deutscher Philosophen fanden sie vielfältige mögliche Wege, das Judentum zu bewahren: Einige, wie Saul Ascher, wollten eine religiöse Erneuerung des Judentums in Einklang mit den Bedürfnissen des Staates bringen und schlugen eine weitgehende Reform vor, andere, wie Bendavid und David Friedländer, suchten eine universale säkulare Kultur, in der sie die Grundwerte des Judentums reflektiert sahen. Sie vertraten deistische Standpunkte, sahen im rabbinischen Judentum eine Entstellung der natürlichen Religion und schauten auf zur deutschen „Gelehrtenrepublik“, zu der sie in vielerlei Hinsicht selber gehörten. Ihre Versuche, diese Ideen zu verbreiten, führten zu vielen Initiativen auf dem Gebiet der Pädagogik und der Kultur.
Lazarus Bendavid war Mitglied der verschiedensten jüdischen Institutionen: Im August 1797 wurde er in die Gesellschaft der Freunde der Humanität aufgenommen und 1798 zu deren Direktor berufen; ab 1800 war er Sekretär der Philomatischen Gesellschaft, und 1822 verlieh ihm der Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden seine Ehrenmitgliedschaft. Nach dem Tod Daniel Itzigs 1806 wurde er zum Direktor der Jüdischen Freischule in ernannt. Diese Berliner Schule, die er bis zu ihrer Schließung im Jahr 1825 leitete, wollte er im Sinne des Deismus und der Staatsbürgerschaft gestalten und strebte danach, einen neuen Juden zu erziehen, der sich in der Gesellschaft und Kultur der Umgebung zu Hause fühlt. Auch in seinen Aufsätzen zu jüdischen Themen vertrat Bendavid die universalen Prinzipien der Aufklärung und griff auch die Kritik deutscher Aufklärer wie Christian Konrad Wilhelm Dohm u. a. auf, die behaupteten, daß es an den Juden sei, ihre moralischen Eigenschaften zu bessern und gleichzeitig um die Erlangung gleicher Bürgerrechte und -pflichten zu kämpfen. In seinem Aufsatz „Etwas zu Charakteristik der Juden“ von 1793 wollte er seine jüdischen Leser davon überzeugen, auf die „Zeremonialgesetze“ zu verzichten und zum Kern der reinen, also der natürlichen Religion, zurückzukehren, und behauptete, die Verkommenheit der moralischen Eigenschaften der Juden sei das Ergebnis ihres Festhaltens am Äußeren der Religion, also den Geboten, auf Kosten des Inneren, d. h. der universalen menschlichen Moral.
Wenige Monate nach Bendavids Tod am 28. März 1832 übergab Moritz Veit, ein Verwandter mütterlicherseits, Bendavids Nachlaß, der über die vielfältigen Bereiche seines Schaffens Auskunft gibt, Leopold Zunz. Heute bilden diese Dokumente die Abteilung A des Leopold-Zunz-Archivs der Jüdischen National- und Universitätsbibliothek Jerusalem. |